SWZ - Der Apfel ist zu wenig (Text)

Arbeitsbedingter Stress ist eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeitstage in Europa. Was in der Industriegesellschaft die Rückenleiden waren, sind in der Wissensgesellschaft zunehmend die psychischen Krankheiten. Je wissensintensiver und dienstleistungsorientierter eine Gesellschaft ist, umso brennender wird der Umgang mit dem Thema psychosoziale Belastungen: Stress am Arbeitsplatz führt zu Gesundheitsproblemen, Fehlentscheidungen, Unfällen und einer niedrigen Lebensqualität. Unter den Folgen leiden nicht nur die Arbeitnehmer, auch die Unternehmen und die Wirtschaft insgesamt sind davon betroffen: Die Kosten steigen, die Produktivität sinkt.

Auch in Südtirol dringt das Thema Stress und Burnout zunehmend ins kollektive Bewusstsein, was sich nicht zuletzt an der zunehmenden Medienberichterstattung zeigt. Dass psychomentale Beeinträchtigungen nicht mehr tabuisiert werden, ist bereits ein erster wichtiger Schritt hin zu angemessenen Lösungen. Doch noch immer werden psychische Beeinträchtigungen individualisiert und von Unternehmen und oft auch von den Betroffenen selbst als persönliche Schwäche bis hin zu eigenem Versagen betrachtet. Dies erschwert die Berücksichtigung der betrieblichen Ursachen und damit die Umsetzung von Rahmenbedingungen für gesunde Arbeit. Erschwerend kommt hinzu, dass Unternehmen einem harten Wettbewerb ausgesetzt sind und in Sachen Flexibilisierung, Arbeitsdichte, Virtualisierung und Effizienz in einer globalisierten Welt mithalten müssen.

Um psychomentalen Belastungen entgegenzuwirken und die psychische Gesundheit zu fördern, kommt den Führungskräften eine ganz besondere Bedeutung zu, denn sie beeinflussen die Unternehmenskultur und die Teamkultur auf besondere Weise: Wenn sie die notwendigen Veränderungsprozesse durch transparente Kommunikation und klare Ziele überschaubar halten und die Umsetzung angemessen unterstützen, bieten sie Sicherheit, die sich positiv auf die Arbeitsatmosphäre und die Menschen auswirkt. Das impliziert Führung über Anerkennung, Wertschätzung, Sinngebung, Partizipation, Offenheit, Vertrauen u.v.m. und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Mitarbeiter sich am Arbeitsplatz wohlfühlen, ihre Potentiale und ihre Resilienz entfalten können und sich eigenverantwortlich für ihre Gesundheit und Lebensbalance einsetzen. Dies erleichtert wiederum den Umgang mit jenen Stressoren, die aus Gründen der spezifischen Arbeitsanforderung anzunehmen sind.

Das macht schon deutlich, welchen Anforderungen die Führungskräfte ausgesetzt sind: Einerseits sind sie in ihrer Fachkompetenz gefragt, Managementaufgaben zu erledigen und Unternehmensziele zu erreichen. Andererseits sind sie im Bereich Führung in ihrer gesamten Persönlichkeit gefordert und nutzen Kompetenzen Teamführung, Coaching, Konfliktklärung, Gesundheit usw., um ein gutes Arbeitsklima zu fördern und die Mitarbeitenden zu motivieren und zu begeistern. Gleichzeitig ist wichtig, dass sie auf ihre eigene Gesundheit zu achten: in erster Linie für sich selber, aber auch für das Unternehmen, das auf leistungsfähige Führungskräfte zählt. Darüber hinaus sind sie auch angehalten ihrer Vorbildfunktion für die Mitarbeitenden gerecht zu werden.

Praktische Unterstützungsmaßnahmen zur Bewältigung dieser hohen Anforderungen sind möglich und reichen von der unvoreingenommenen Analyse der Ausgangslage und Sensibilisierung der Führungskräfte über individuelle Maßnahmen zur Stressbewältigung, Optimierung der Anforderungen und Abläufe und Ressourcenstärkung bis hin zu einem systematischen Gesundheitsmanagement mit koordinierten Maßnahmen auf unterschiedlichen Ebenen.

Mehr und mehr Unternehmen investieren in die Gesundheitsförderung: Damit Menschen gesund und Betriebe produktiv bleiben.

 

Ermüdung und Erholung folgen exponentiellen Verläufen

Ermüdung nimmt umso stärker zu, je länger eine Tätigkeit bei vorhandener Ermüdung fortgeführt wird

Die ersten Abschnitte einer Erholungsphase sind erholungswirksamer als die späteren Abschnitte

 

Die Ermüdung ist also umso geringer, bzw. die Erholung schreitet umso schneller fort, in je kürzere Arbeitsperioden die Tätigkeiten gegliedert werden.

 

Ulich, E. (1998). Arbeitspsychologie. Zürich: vdf Hochschulverlag

 

Mehrere kurze Pausen haben einen größeren Erholungswert und verhindern eine fortschreitende Zunahme der Ermüdung besser als wenige längere Pausen gleicher Gesamtlänge.

 

Ruth Gschleier: Prozessbegleiterin, Coach und Supervisorin